Am 26. März 2007 starb unser ältestes Mitglied, Herr Professor Willi Krause, nach langer, mit großer Geduld ertragener Krankheit in Wien.
Willi Krause wurde am 18. August 1914 in Wien als Sohn des aus Magdeburg stammenden Uhrmachers Gustav Krause und der Klosterneuburger Weißnäherin Magdalena Krause geboren und erhielt bereits im Kindesalter den ersten Klarinettenunterricht. Seine ältere Schwester, die renommierte Cellistin Frieda Litschauer-Krause, erkannte seine Begabung und stellte ihn dem philharmonischen Klarinettisten Viktor Polatschek vor, der ihn in seine Klasse an der Wiener Musikakademie aufnahm, wo er in der Folge auch bei den Philharmonikern Johann Löw und Leopold Wlach Unterricht nahm. Neben seinem Studium machte Willi Krause auch die Uhrmacherlehre und legte die Gesellenprüfung ab. 1937 erhielt er ein Engagement beim Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester, wechselte ein Jahr später in die Wiener Volksoper, wurde jedoch nach einem weiteren erfolgreichen Probespiel schon wenige Monate später, am 1. Februar 1939, als Klarinettist in das Orchester der Wiener Staatsoper aufgenommen. Mit 1. März 1946 wurde er Mitglied der Wiener Philharmoniker, am 1. September 1979 trat er in den dauernden Ruhestand.
Während Willi Krause, der mit dem Professorentitel, dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich und dem Ehrenring der Wiener Philharmoniker ausgezeichnet wurde, im Orchester vor allem auf die Es-Klarinette spezialisiert war und auf diesem Instrument etwa in Richard Strauss' „Till Eulenspiegels lustige Streiche" brillierte, widmete er sich auf kammermusikalischem Gebiet der G-Klarinette, dem berühmten „picksüßen Hölzl": Als langjähriges Mitglied der Spilar Schrammeln bzw. der von Alfons Egger und heute von Martin Kubik geführten Philharmonia Schrammeln, die auch bei seinem Begräbnis am 3. April 2007 spielten, erwies er sich als idealer Vertreter dieses einzigartigen Musikgenres.
Dr. Clemens Hellsberg, im Programmheft zum 8.Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker 2006/07
Hören Sie Willi Krause in den "Tanz' von Johann Schmutzer" |
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Als ich 1990 bei den Philharmonia Schrammeln begann, war ich 23, Professor Willi Krause 76 Jahre alt. Und ganz schnell war er kein Professor mehr für mich, sosehr dieser Titel auch in der Öffentlichkeit sein Gewicht verlangte – im Umgang mit ihm nahe stehenden Menschen war davon keine Spur.
Von der ersten Kennenlern-Probe an: freundliches Augenzwinkern, selbstverständliches Du, völlige Akzeptanz – war doch der damalige Primarius, Alfons Egger, unters Chirurgenmesser verbannt, um die beim Skifahren lädierte Hand wiederherstellen zu lassen, was mir am ersten Platz ein völlig neues Spiel in einer bis dahin ungekannten Musik bescherte. Dieses Annehmen anderer musikalischer Vorstellungen war überhaupt ein Phänomen über all die Jahre des Zusammenspiels, etwa fünf sollten es noch werden. Das Einbringen der eigenen Ideen, das Rechthaben, Durchsetzen, das war nie Willis Sache. Was man von ihm erbat, versuchte er umzusetzen, so gut er konnte. Freilich wusste er auch, dass allein seine Art dazusitzen und das Picksüße zu blasen das Publikum in Verzückung brachte, da konnte das Ego in den Proben Pause machen.
Er musste gelernt haben zu ertragen, anders ist es nicht erklärbar, dass Willi die größten Reisestrapazen mit ebensolchem Gleichmut hinnahm. Kein Flug, keine Zugfahrt, kein Anstehen bei Passkontrollen war ihm zu lang. Eine gemeinsame Nacht im Doppelzimmer eines kleinen japanischen Ryokans wird mir für immer in Erinnerung bleiben: Wir kannten uns gerade erst wenige Monate, und doch war es ein rücksichtsvolles Teilen des Platzes, ohne Rangordnung, unkomplizierter als auf jedem Jugendlager unter Gleichaltrigen.
Ein weiteres Bild von Willi Krause: Als gelernten Uhrmacher ließ ihn die Faszination der Technik nie los. Vor allem im verspielten Japan sah man ihn immer wieder vor den irrsten Auslagenscheiben, von einem Fuß auf den andern steigend, die neuesten elektronischen Wunder bestaunen. Überhaupt liebte Willi dieses Land, das von seiner Musikergeneration „entdeckt“ worden war, was alle, die damals in den 50ern dabei waren, mit lebenslangem Stolz erfüllte.
Ungefähr um die Zeit seines achtzigsten Geburtstages wurde es für uns langsam zur Gewissheit, dass wir nicht ewig mit diesem liebenswerten Urgestein würden musizieren können, das gesundheitliche Risiko der Überseereisen konnten wir als Ensemble schon längst nicht mehr mitverantworten. Die Ablöse gestaltete sich schwierig, Willi dürfte geahnt haben, dass sehr viel von seiner Lebensenergie mit dem aktiven Klarinettenspiel in Zusammenhang stand. Und so war es eine traurige Wahrheit, dass sein Gesundheitszustand sich nach seinem Schrammel-Ausstieg rapide verschlechterte, sosehr wir anfangs auch versuchten, ihn weiterhin ins Konzertleben einzubinden. Die stetige Verminderung seines Hörvermögens bereitete ihm, dem ewigen Musikanten, sicher die größten seelischen Schmerzen. Als die Philharmonia Schrammeln zu seiner 90er-Feier in privatem Rahmen aufspielten, konnte er uns fast nur noch sehen.
Umso mehr freut es mich persönlich, dass er bis zum Schluss liebevoll betreut wurde und in Frieden diese Welt verlassen konnte. In Vielem lebt er weiter, auch in seinen Schrammel-Nachfolgern.
Martin Kubik